Als vor einigen Jahren im Raum stand, dass zwischen Ketsch und Hockenheim-Talhaus Sand und Kies abgebaut werden soll, schwante den hiesigen Umwelt- und Naturschutzorganisationen nichts Gutes: Im Gewann „Entenpfuhl“ auf Gemarkung Schwetzingen, angrenzend an die B 39 (frühere B 36) und die L 722 Richtung Talhaus/Speyer, sollten auf landeseigenen Grundstücken 24,5 Hektar Wald abgeholzt werden, damit dort ein Baggersee mit Kieswerk entstehen kann. Das hierfür erforderliche wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren war schon in Vorbereitung, als es plötzlich hieß, die Angelegenheit sei vom Tisch.
Jetzt stellt sich heraus, dass die Planung nicht eingestellt sondern nur ausgesetzt war, denn die Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens wurde wiederaufgenommen. So hat das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises die Träger öffentlicher Belange sowie die Umwelt- und Naturschutzorganisationen zu einem sogenannten Scoping-Termin am 20.08.2019 eingeladen. Zur Vorbereitung dieses Termins hat das Landratsamt Unterlagen zur Verfügung gestellt, die einen Überblick über Lage und Inhalt des Vorhabens geben.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass sich die Größe der geplanten Abbaufläche nahezu verdoppelt hat, denn statt der ursprünglich vorgesehenen 24,5 Hektar sollen jetzt 42 Hektar – und damit nahezu der gesamte Wald im Gewann „Entenpfuhl“ – einem Baggersee mit Kies- und Betonwerk weichen. Das entspricht einer Fläche von gut 60 Fußballfeldern. Um den Baustoffbedarf in der Metropolregion Rhein-Neckar zu decken sollen über einen Zeitraum von 35 Jahren Sand und Kies bis in eine Tiefe von 35 Metern abgebaut werden. Der Vorhabenträger, die Heinrich Krieger KG aus Neckarsteinach, begründet die neue Planung damit, dass sich die erforderlichen Investitionen im Falle der kleineren Abbaufläche wirtschaftlich nicht amortisieren lassen.
Die Vertreter der örtlichen Umwelt- und Naturschutzorganisationen sind fassungslos und lehnen den geplanten Sand- und Kiesabbau vehement ab, nicht zuletzt aufgrund der Dimension des Vorhabens. „Wir legen Blühstreifen an, sorgen für Biotopverbesserung und -vernetzung, setzen uns für Artenschutz und -vielfalt ein. Aber wir fragen uns allen Ernstes: Wofür das alles, wenn hier 42 Hektar Wald einfach so vernichtet werden sollen?“, sagt Frank Lück, Leiter des Hegerings Schwetzingen der Jägervereinigung Mannheim e.V.. „Zudem ist es ein Unding, dass dieser Wald laut den zur Verfügung gestellten Unterlagen als ökologisch nicht so wertvoll eingestuft wird, denn er ist Lebensraum für viele Tierarten, darunter der Hirschkäfer, mehrere Fledermausarten und eine reiche Vogelwelt“, so Lück weiter.
Gerd Welker, Vorsitzender der Naturfreunde Ketsch e.V., ergänzt: „Das betroffene Waldgebiet ist nicht nur Lebensraum, sondern hat noch weitere Funktionen. Es ist als Klimaschutzwald, Immissionsschutzwald, Erholungswald und zumindest teilweise als Bodenschutzwald ausgewiesen. Aber all diese wichtigen Funktionen werden bedenkenlos beiseite gewischt, weil das Waldgebiet im Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar als Vorranggebiet für den Rohstoffabbau ausgewiesen ist.“
„Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, auch wenn der Rohstoffabbau vorrangig sein soll“, greift Matthias Ihrig, zweiter Vorsitzender des Umweltstammtischs Ketsch e.V., das Stichwort Regionalplan auf. Ihrig erklärt: „Das Wasserschutzgebiet Schwetzinger Hardt, das derzeit bis an die A 6 reicht, soll in westliche Richtung erweitert werden. Wenn diese Erweiterung kommt, schließt sie das betroffene Waldgebiet fast vollständig ein und macht dort eine Kiesgewinnung unwahrscheinlich. Es muss die Frage geklärt werden, ob ein Baggersee das Grundwasser im Einzugsgebiet des Wasserwerks Schwetzinger Hardt beeinträchtigt, das Mannheim, Heidelberg, Schwetzingen und Ketsch mit Trinkwasser versorgt. Hier darf es keine Kompromisse geben, denn die öffentliche Wasserversorgung ist wichtiger als Rohstoffabbau.“
Thomas Kuppinger, stellvertretender Vorsitzender des BUND-Ortsverbands Hockenheimer Rheinebene, weist auf grundsätzliche Fragen hin: „Soll in Zeiten von Artensterben und Klimawandel alles einfach weiterlaufen wie bisher? Statt sich Gedanken darüber zu machen, wie man möglichst nachhaltig mit natürlichen Ressourcen umgeht, wird weitergemacht, als ob nichts wäre: Landschaftsverbrauch und Bautätigkeit sind ungebrochen und wirtschaftliche Interessen stehen weiterhin im Vordergrund. So kann es doch nicht weitergehen! Und während eine aktuelle Schweizer Studie darauf hinweist, dass man mit Aufforstungen dem Klimawandel effektiv begegnen könnte, plant man hier genau das Gegenteil, nämlich die großflächige Abholzung von Wald.“
„Das Thema Nachhaltigkeit muss unbedingt einen größeren Stellenwert erhalten“, ergänzt Uwe Heidenreich, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des BUND-Ortsverbands Hockenheimer Rheinebene und Mitglied im Vorstand der NABU-Gruppe Hockenheim. „Baustoffbedarf darf nicht mehr wie bisher nur mit natürlichen Rohstoffen wie Sand und Kies gedeckt werden, vielmehr müssen zur Schonung der natürlichen Ressourcen auch wiederaufbereitete Rohstoffe, sogenannte Sekundärrohstoffe, genutzt werden“, so Heidenreich.
Die Umwelt- und Naturschutzorganisationen planen eine gemeinsame Veranstaltung, um die Öffentlichkeit über das Vorhaben zu informieren. Sie wollen Unterstützer und Mitstreiter gewinnen um gemeinsam die Abholzung des Waldes im Gewann „Entenpfuhl“ zu verhindern. Der Termin für die Veranstaltung wird rechtzeitig bekanntgegeben.